Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT; engl. CBT) geht davon aus, dass psychische Störungen – wie das gesamte Verhalten und Erleben des Menschen – auf Lernvorgängen basieren. Wir lernen im Laufe des Lebens nicht nur laufen, sprechen und schreiben, sondern auch wem wir vertrauen können, ob Anstrengung belohnt wird oder was Schmerzen verursacht. Kommt es bei den millionenfachen Lernprozessen unseres Lebens zu Fehlern, können übermäßige Gefühlsreaktionen, ungünstige Denkmuster oder störende Verhaltensweisen entstehen, die erhebliche Beeinträchtigungen im Alltag darstellen und schweres seelisches Leiden verursachen, so dass Fachleute von einer psychischen Erkrankung sprechen.
Die Verhaltenstherapie ist eine moderne Psychotherapieform, die sich an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und die in zahlreichen Untersuchungen als hoch wirksam bestätigt wurde. Psychische Störungen werden dabei nicht vor dem Hintergrund einer bestimmten Theorie interpretiert, sondern es wird für jeden Fall ein individuelles Modell erarbeitet, das die Entstehung, Auslösung und Aufrechterhaltung der spezifischen Problematik des Patienten erklärt. Hierbei spielen Lernerfahrungen aus der Lebensgeschichte der Patienten ebenso eine Rolle, wie bestimmte Merkmale der kritischen Situationen, in welchen das Problem oder Symptom typischerweise auftritt. Zu Beginn einer verhaltenstherapeutischen Behandlung geht es daher zunächst um eine möglichst genaue Erfassung und Beschreibung der Problematik und ihrer Rahmenbedingungen. Der Therapeut nimmt hierfür gemeinsam mit dem Patienten eine sogenannte Verhaltensanalyse vor.
Für die Verhaltensanalyse ist es notwendig, das Symptom oder das kritische Verhalten genau zu beobachten. Hierfür werden Fragebögen, Symptomtagebücher und Gedankenprotokolle eingesetzt. Das gewonnene Wissen fließt gemeinsam mit den Informationen aus Anamnese und Verhaltensanalyse in ein Modell ein, das die Symptomatik insgesamt beschreibt und die Zusammenhänge ihrer Auslösung und Aufrechterhaltung erklärt. Hieraus werden im letzten Schritt vor der eigentlichen Therapie Ansatzpunkte abgeleitet, an welchen Veränderungen stattfinden müssen, um die Beschwerden zu lindern, die Bewältigung zu erleichtern oder die Störung ganz aufzulösen.
Schrittweise werden nun Veränderungen herbeigeführt, indem Übungen, Verhaltensexperimenten oder anderen therapeutischen Hausaufgaben nach möglichst konkreten Vorgaben und Planungen durchgeführt werden. Der Patient ist nicht der passive Teilnehmer einer Behandlungsmaßnahme, sondern er wirkt aktiv an seiner Therapie mit. Der Verhaltenstherapeut ist Partner des Patienten, der diesen berät, gemeinsame Lösungswege für die jeweilige Problematik erarbeitet und die schrittweise Veränderung begleitet (Selbstmanagement-Ansatz).
Die Therapiestrategien sind dabei vielgestaltig und von der individuellen Symptomatik abhängig. Zum Beispiel werden bei Ängsten Konfrontationsübungen durchgeführt (kontrollierte, schrittweise oder massierte Begegnung mit dem angstauslösenden Reiz). Bei Zwangshandlungen kann die Behandlung unter anderem darin bestehen, sich dem Zwangsimpuls auszusetzen und ihm zu widerstehen. Zur Bewältigung von Depressionen können Bausteine der Therapie sein, depressive Denkmuster zu erkennen und durch hilfreichere Gedanken zu ersetzen oder beliebte Aktivitäten wieder aufzunehmen. Bei psychosomatischen Beschwerden kann die Verhaltensanalyse Hinweise darauf geben, welche Auslöser diese begünstigen, und Bewältigungsverhalten erprobt und eingeübt werden. Hierbei können Entspannungs- oder Ablenkungstechniken hilfreich sein. Auch fehlende oder nicht ausreichend vorhandene zwischenmenschliche Fertigkeiten, wie zum Beispiel Forderungen zu stellen, Kritik zu äußern oder die Abgrenzung durch Nein-Sagen, können in der Therapie aufgebaut und eingeübt werden. Rollenspiele und Gruppentherapie haben sich hier besonders bewährt.
Das verhaltenstherapeutische Vorgehen bleibt aber nicht auf das Üben von Fertigkeiten und das Ausgleichen von Verhaltensdefiziten beschränkt. Zum einen ist das Erreichen eines tiefergehenden Symptomverständnisses vor dem Hintergrund der eigenen Lebensgeschichte ein wichtiges Therapieziel. Nur so ist es möglich, auch für neue Problemsituationen und für die Zeit nach der Therapie gewappnet zu sein. Zum anderen wird die Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens und realistischen Selbstbildes angestrebt, das neben Stärken und Ressourcen auch Schwächen und Defizite benennt.
Das abschließende Ziel einer Verhaltenstherapie ist es, den Patienten zu befähigen, auch neue Probleme selbständig und lösungsorientiert anzugehen und die therapeutische Hilfe schließlich ganz überflüssig zu machen.
Zur Geschichte der Verhaltenstherapie können Sie hier weiterlesen.